Königin Cenchreïs behauptet,
dass das Haar ihrer Töchter schöner sei als das der
Aphrodite. Diese fallen daraufhin bei der Göttin in Ungnade:
Sie werden von ihr verdammt, sich mit Fremden zu vermählen.
Dann sollen sie in die Verbannung gehen oder zu Stein verwandelt
werden. Schließlich sterben sie in Ägypten. Eine von
den Töchtern, Myrrha, wird von Aphrodite mit ruheloser Liebe
zu ihrem Vater Cinyras gestraft. Myrrha gelingt es mit Hilfe ihrer
Amme, sich unerkannt Einlass in das verdunkelte Schlafzimmer ihres
betrunkenen Vaters zu verschaffen, während ihre Mutter keusch
beim heiligen Fest der Getreideernte weilt. Myrrha wird von Cinyras
in dieser Nacht schwanger. In den nächsten Nächten besucht
sie ihn wieder, bis er seine unbekannte Geliebte sehen möchte
und Licht bringen lässt. Als er seine Tochter erkennt, greift
er zum Schwert und versucht, sie zu erschlagen. Myrrha flieht
vor ihrem Vater. Sie betet zu den Göttern und fleht um eine
gerechte Strafe. Sie möchte weder bei den Lebenden noch bei
den Toten sein und bittet um Verwandlung. Aphrodite erhört
ihr Bitten und verwandelt sie in eine Myrrhe. Aus dem Baum fließen
heiße harzige Tränen. Durch den Spalt, den ein Eber
in das Holz haut, gebiert die Myrrhe den Adonis.
Aphrodite nimmt Adonis auf und verfällt sogleich seiner Schönheit.
Sie verbirgt ihn vor den Göttern in einer Kiste und bringt
ihn zu Persephone in die Unterwelt. Doch auch Persephone verfällt
Adonis und möchte ihn nicht mehr herausgeben. So muss der
Richterspruch des Zeus über das Schicksal des Adonis entscheiden:
Ein Drittel des Jahres soll Adonis für sich alleine sein,
ein weiteres Drittel bei Persephone in der Unterwelt verbleiben
und das letzte Drittel der Aphrodite gehören. Aphrodite verzaubert
Adonis, so dass er auch sein Drittel mit ihr verbringt.
Gebannt von Adonis' Schönheit, kümmert sich Aphrodite
nicht mehr um Himmel noch Erde. Sie begleitet ihn auf der Jagd.
Sie hält ihn im Arm. Beim Abschied warnt sie ihn vor den
gefährlichen Tieren des Waldes: «Sei tapfer gegen flüchtiges
Wild; gegen Mutige Mut zu beweisen ist gefährlich.»
Doch einer von Adonis' Hunden scheucht einen Eber aus seinem Versteck
auf. Der Eber möchte fliehen, als ihm Adonis seinen Speer
in die Seite schleudert. Das verletzte Tier stößt dem
fliehenden Adonis seine Hauer in die Lenden. Aphrodite hört
von Weitem Adonis' Stöhnen und eilt zu dem Sterbenden. Dort
zerreißt sie ihre Kleider, rauft sich das Haar und schlägt
sich an die Brust. Den toten Adonis bahrt sie auf einem Lager
von Lattich auf. «Das Andenken meiner Trauer wird ewig währen,
Adonis; und die festliche Begehung deines Todes wird alljährlich
ein Abbild meiner Klage um dich sein. Dein Blut aber wird zur
Blume werden.» Sie besprengt sein Blut mit duftendem Nektar.
Davon berührt, quillt das Blut auf, wie sich im braunen Schlamm
eine durchsichtige Luftblase erhebt. Nach einer Stunde entsprießt
aus dem Blut eine Blume gleicher Farbe.
Die Gärten des Adonis finden in Platons Phaidros zum ersten
Mal Erwähnung. Im Werk des Platon nimmt diese Schrift eine
Sonderstellung ein. Die dichterische Weise, mit der Platon hier
Eros und Redekunst verbindet, ließ Interpreten vermuten,
dass es sich um das erste Jugendwerk Platons handele. Inzwischen
gilt es als erwiesen, dass Platon den Phaidros dichtet, als er
sich schon dem sechzigsten Lebensjahr nähert.
Am Anfang dieser Schrift steht eine Rede Lysias', die Phaidros
dem Sokrates vorliest. Darin versucht der Redner, seinen Liebling
für sich einzunehmen, indem er behauptet, ihn nicht zu lieben
und dass es nur von Vorteil sein könne, dem Nicht-Liebenden
zu willfahren. Sokrates verachtet Lysias' Rede, weil Lysias den
göttlichen Eros nicht kennt. Sokrates ist lieblose Freundschaft
zuwider, und so dichtet er dem Eros zum Ruhme: Lysias hat Recht,
in der Liebe eine seelische Krankheit zu sehen, aber er weiß
nicht, dass es ein göttliches Rasen, eine Mania, gibt. Diese
Mania lässt den Liebenden an der göttlichen Weisheit
teilhaben, indem er auf das Göttliche im Geliebten schaut.
Bei den Adonisgärtchen handelt es sich um Sämereien,
die in zerbrechlichen Tongefäßen ausgebracht werden.
Dafür werden Samen von Weizen, Gerste, Lattich und Fenchel
in der Dunkelheit gewässert, so dass sie blasse Triebe ausbilden.
Diese Tellersaaten stellen Frauen im antiken Athen zum Adonisfest
auf ihre Hausdächer, wo sie mit Freundinnen und Nachbarinnen
zu Ehren des Adonis eine Nacht lang tanzen, singen und spielen.
Das Adonisfest beginnt mit dem Frühaufgang des Hundssterns,
des Sirius. Sein Erscheinen am 27. Juli, kurz vor Sonnenaufgang,
zeigt jedes Jahr den Beginn der Hundstage an. Dann richtet der
Sirius über die Pflanzen und die Menschen. Die Menschen werden
vom Hitzschlag und vom Sonnenstich getroffen, während die
Pflanzen und Kulturen von der Sideratio befallen werden. Die Siriasis
findet ihre Opfer unter den Kleinkindern, den allerschwächsten
menschlichen Sprösslingen, während die Sideratio mit
Vorliebe die jungen Sträucher und jene Pflanzen trifft, deren
Wurzeln noch nicht stark genug sind, um sich tief aus der Erde
die unverzichtbare Feuchtigkeit zu holen. Die Menschen sind halb
verdurstet und verdorrt, wie jene Unglücklichen, die, von
Durst gepeinigt, doch sogleich von Wasserscheu befallen sind,
weil sie angeblich von Hunden gebissen wurden, die in der Gluthitze
dieser Jahreszeit toll geworden sind. Die Frauen sind in dieser
Zeit am laszivsten und die Männer am schwächsten, denn
Sirius versengt ihnen den Kopf und die Knie, und die Hitze dörrt
ihnen die Haut aus. Von den Dächern von Athen schallt hemmungslos
das Gelächter der Frauen über ausgelassene Obszönitäten,
vermischt mit dem schwermütigen Klagegeheul um den toten
Adonis. In lauter Trauer um ihren toten Gott, Symbol der mythischen
Einheit von Naturverehrung und der von allen sozialen Zwängen
befreiten Sexualität.
Die Art und Weise, wie die Adonia begangen wird, unterscheidet
sich von Ort zu Ort. So müssen Frauen aus Byblos, die sich
während der Trauerzeit weigern, ihren Kopf zu scheren, sich
einen ganzen Tag lang Fremden hingeben, und den Erlös dem
Heiligtum der Aphrodite darbringen. Während des Festes verdorren
die wurzellosen Gärtchen auf den Dächern unter dem Einfluss
eben jener Hitze, die auch ihr hastiges Wachstum begünstigt
hatte. Die vertrockneten Überreste werden ins Wasser geworfen.
Die Frauen von Alexandria tragen das Bildnis des toten Adonis
in Trauerkleidung mit fliegendem Haar und entblößter
Brust ans Meeresufer und übergeben es dort den Wellen.
Von diesem Kult ging eine Belebung der Topfkultur und der Anzucht
von einjährigen Blumen aus. Adonisgärten bedeuten später
bei den Römern und noch im Mittelalter artenreiche, mit einjährigen
Blumen bepflanzte Gärtchen oder Gartenteile.
In Platons Phaidros führt die Kritik des Sokrates an der
Rede des Lysias schließlich zur Diskussion über wahre
Erkenntnis und ihre Ausdrucksmittel. Der Frage nach der Angemessenheit
und Unangemessenheit der Schrift, wo ihr Gebrauch schön und
wo er unschicklich ist.
Denn wer sie lernt, dem pflanzt sie durch die Vernachlässigung
des Gedächtnisses Vergesslichkeit in die Seele, weil er im
Vertrauen auf die Schrift von außen her durch fremde Zeichen,
nicht von innen heraus sich selbst die Erinnerung schöpft.
Dies Bedenkliche haftet an der Schrift, und darin gleicht sie
der Wahrheit der Malerei. Auch deren Werke stehen da wie lebendige,
wenn du sie aber fragst, so schweigen sie stolz. Du könntest
glauben, sie sprächen, als ob sie etwas verstünden,
wenn du sie aber fragst, um das Gesagte zu begreifen, so zeigen
sie immer nur ein und dasselbe an.
Also nicht ernsthaft sollte man seinen Verstand in schwarzem Wasser
schreiben, ihn durch das Schreibrohr aussäend mit Reden,
die unfähig sind, sich selbst durch das Wort zu helfen, unfähig,
das Wahre zugänglich zu lehren. Sondern um des Spieles willen
sollte man die Gärten der Schrift besäen und beschreiben,
wenn man schreibt, und sich damit selbst einen Schatz von Erinnerungen
sammeln für die Zeit, da man ins Alter des Vergessens gelangt,
und auch für jeden, der derselben Spur folgt, und man wird
seine Freude daran haben, wenn man ihr zartes Wachstum betrachtet.
Schöner ist jedoch, wenn einer die geeignete Seele wählt
und sie bepflanzt und besät mit Reden der Erkenntnis, die
sich selber und dem Sämann zu helfen geschickt und nicht
früchtelos sind, sondern Samen tragen, aus dem sie immer
von neuem in andern Seelen keimend ihn für ewig unsterblich
zu machen geeignet sind und seinen Träger so glücklich
zu machen, als es einem Menschen nur möglich ist.
Den griechischen Männern gilt Adonis als Weichling, unreif,
bar jeder Männlichkeit, mit einer Anhängerschaft von
Frauen und Androgynen. Der junge Bursche mit dem üppigen
Samen, frühreifer Liebhaber schöner Herrinnen, gilt
ihnen als das Gegenbild der Ehe und der fruchtbaren sexuellen
Vereinigung. Seine übermäßige sexuelle Potenz
sei nur die Kehrseite eines Mangels an Reife, einer sexuellen
Betätigung vor der rechten Zeit, die einhergeht mit steriler
Aussaat. Denn er schleudere seinen rohen und unreifen Samen in
Gärten aus Stein, wo er niemals so Wurzeln schlagen werde,
dass er seine eigene Natur reproduzieren könne. Ihm sei es
lediglich bestimmt, Trügerisches, Trugbilder und Falsches
hervorzubringen, wie jene Bastarde oder zurückgewiesenen
Neugeborenen, deren Aussetzungen in Töpfen an unbebauten
Orten die Ähnlichkeit mit den Pflanzungen der Adonia verstärke.
Im Phaidros verwendet Sokrates die Gärten des Adonis als
Sinnbild für das geschriebene Wort: Ein Landmann, der Verstand
hat, wird der den Samen, um den er Sorge trägt und von dem
er Früchte ernten möchte, ernstlich in der Sommerhitze
in ein Adonisgärtchen säen und sich freuen, wenn er
sieht, wie er in acht Tagen schön aufgegangen ist? Oder wird
er dies nur als Spiel und um der Festtage willen tun, wenn er
es einmal tut? Den Samen aber, mit dem es ihm ernst ist, wird
er nach der Kunst des Landbaus aussäen, wohin es sich gehört,
und froh sein, wenn das, was er säte, im achten Monat seine
Bestimmung erfüllt.
Die Schrift erwecke nur den Anschein von Lebendigkeit, sei in
Wahrheit aber steril. Das gesprochene Wort jedoch, das die Seele
des Hörenden befruchte, so dass sie ihrerseits zeugende Samen
ernten könne, entspreche hingegen dem Getreide, das der Bauer
zur rechten Zeit säe und das nicht acht Tage, sondern acht
Monate brauche, um zur Reife zu gelangen. So wie der ernsthafte
Ackerbau behauptet, die Pflanzen zu erziehen, so sind die Pflanzungen
des Adonis nur ein Spiel.
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